„Als ich aufwache ist es schon hell. Mir ist schlecht und jeder Knochen tut weh. Turkey (Entzug). Ich öffne den Schlafsack und krieche vorsichtig heraus, um Sascha, der noch schlafend neben mir liegt, nicht zu wecken. Ich packe meine Zahnbürste und Zahnpasta aus meinem Rucksack, gehe auf Socken ans Rheinufer und putze mir die Zähne. Als ich zurückkomme ist Sascha schon wach. Er hat bereits das Spritzbesteck und die zwei Packs Heroin, die wir vom Vortrag aufbewahrt haben, ausgepackt und mit dem Aufkochen begonnen. Ich setze mich zu ihm und warte ungeduldig auf den Moment, in dem er mir die aufgezogene Spritze hinhält. Endlich ist es soweit. Ich binde meinen Arm ab und begebe mich auf die verzweifelte Suche nach einer Vene an meinem zerstochenen Arm. Nach ungefähr 20 Versuchen gebe ich es auf. Das Blut läuft an beiden Armen herunter und ich weine, bin völlig auf Entzug. Nachdem Sascha sich seinen Anteil gespritzt hat, injiziert er mir meinen in die Halsschlagader.“
Momo
„Ja und dann fing irgendwann das mit der Spielsucht an. Wo ich immer geschaut habe, wo hab‘ ich denn noch einen Fünfer übrig und wo bekomme ich Geld her. Das konnte man dann nicht wirklich lange so überleben. Nach etwa zehn Jahren oder fünfzehn Jahren war damit Schluss. […] Und dann kam noch die Arbeitslosigkeit dazu. Ich war vor dem Wohnungsverlust ein halbes Jahr arbeitslos. Das war damals so die Wirtschaftskrise gewesen. Dann konnte ich meine Wohnung irgendwann einfach nicht mehr bezahlen und bin so letztlich auf der Straße gelandet. Ich bin dann erst mal den Rhein hoch und runter gegangen und hab‘ überlegt, was ich jetzt machen sollte. Springst du von der nächsten Brücke oder machst du sonst irgendwas anderes? Naja und dann dachte ich: Gehst du einfach erst mal los und schaust, wie du überleben kannst und ob du überhaupt überleben kannst. Und so hab‘ ich dann damals schon mit dem Flaschensammeln angefangen.“
Markus
„Warum werden Gefangene gefüttert? Kühe füttert man, damit sie Milch geben. Schweine damit sie fett werden. Schwäne, weil sie schön sind. Und Menschen, weil man sie lieb hat. Aber warum füttert man eigentlich Strafgefangene? Das ist vielleicht eine blöde Frage, oder etwa nicht? Man soll jetzt bloß nicht sagen, aus christlicher Barmherzigkeit oder aus Mitleid! Niemand kümmert sich um den Hunger meines Herze ns nach Freiheit und Liebe. Ich glaube, wir Strafgefangenen sind Luxusartikel. […] Nur Könige verfügen über Leibwachen wie wir. Gefangene sind wie Orchideen, Schwäne und andere Statussymbole – Luxusgegenstände. Man finanziert sie mit großem Aufwand, obwohl sie doch eigentlich sinnlos sind wie leerstehende Schlösser unter Denkmalschutz.“
Björn
„Mein Vater war ein lieber gutmütiger Mensch, wenn er nicht betrunken war. Er war Alkoholiker und trank alles durcheinander. Besonders wenn er Schnaps getrunken hatte, wurde er sehr aggressiv und hat unsere Möbel zerschlagen. Letztlich ist er auch durch die Sauferei ums Leben gekommen. Nach seinem Tod hat meine Mutter den Bruder ihres Mannes geheiratet, der war Tiefbauarbeiter. Er starb schon zwei Jahre später an Magenkrebs, ihm verdankte Mutter später wenigstens eine kleine Witwenrente. Später lernte Mutter einen ehemaligen Bergmann kennen […]. Durch dessen Rente ging es uns materiell etwas besser. Der neue Mann meiner Mutter litt unter Staublunge und war Alkoholiker wie mein Vater. Er hat sich schon bald zu Tode gesoffen.“
Helmut
„‚Ihr bekommt doch Unterstützung von der Stadt‘, sagen sie, um ein Argument zu haben mir keine Zeitung abzukaufen. Aber haben Sie … ja, Sie … schon einmal versucht von 351 Euro im Monat Ihr Leben zu bestreiten? Alles, von Kleidung, über Bus- und Bahnkarten, Kino und Theater, Schuhreparatur und Seife zum Waschen und vieles mehr? Wie soll das gehen? Und was ist, wenn wir eine Wohnung endlich bekommen haben und die Waschmaschine geht nicht mehr? Auch dafür muss das Geld reichen. Oder wenn die Energiepreise wieder mal steigen? Um sich für solche Zwecke eine Rücklage zu bilden verkaufen wir die fiftyfifty.“
Jürgen